Erbrechtsrevision 2023
Sind Schenkungen seit der Erbrechtsrevision und einem bestehenden Ehe- und Erbvertrag oder einem Erbvertrag noch zulässig?
Ja, grundsätzlich aber nur wenn diese explizit im Erbvertrag vorgesehen sind, d.h. allenfalls müssen bestehende Erbverträge angepasst werden (vgl. Art. 494 ZGB).
Seit dem 1. Januar 2023 ist das revidierte Erbrecht in Kraft. Die wichtigsten Änderungen sind nachfolgend aufgeführt.
1. Pflichtteile (Art. 471 ZGB):
Die bekannteste Änderung betrifft die Pflichtteile der Eltern und Nachkommen, d.h. denjenigen Teil des Nachlasses, welcher den Erben nicht entzogen werden kann (ausser Enterbung).
So werden die Eltern in Zukunft nicht mehr pflichtteilgeschützte Erben sein. Der Pflichtteil der Nachkommen reduziert sich von bisher drei Vierteln auf neu die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Unverändert bleibt die Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten bzw. der eingetragenen Partnerin (1/2 des gesetzlichen Erbanspruchs).
Beispiel: Der Erblasser hinterlässt zwei Kinder und seine Ehefrau. Der gesetzliche Erbanspruch der Ehefrau beträgt 1/2 des Nachlasses und derjenige der Kinder ebenfalls 1/2 (je Kind 1/4). Der Pflichtteil der Ehefrau und der Kinder beträgt jeweils die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches und somit je 1/4 für die Ehefrau und die beiden Kinder (je Kind 1/8).
2. Scheidungs- oder Auflösungsverfahren (Art. 472 ZGB):
Ehegatten können bereits während eines hängigen Scheidungsverfahrens keine Ansprüche mehr aus Verfügungen von Todes wegen geltend machen (ausser es wurde explizit etwas anderes vereinbart) und haben gegenseitig keinen Pflichtteil mehr, wenn das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet (bzw. nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt) wurde oder wenn die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben und ein Ehegatte die Scheidung einseitig eingeklagt hat.
ACHTUNG: Der überlebende Ehegatte/Partner behält seinen gesetzlichen Erbanspruch auch unter neuem Recht bis zum rechtskräftigen Scheidungs- bzw. Auflösungsurteil. Folglich muss während des hängigen Scheidungsverfahrens zwingend eine letztwillige Verfügung (Testament) errichtet werden, falls dem überlebenden Ehegatten/Partner der gesetzliche Erbanspruch entzogen werden soll.
3. Nutzniessung zugunsten des überlebenden Ehegatten (Art. 473 ZGB):
Als Folge der Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten neu sogar bis zu ½ (bisher ¼) des Nachlasses zu Eigentum zuweisen, zusätzlich zur lebenslangen Nutzniessung auf der anderen Hälfte (die zu Eigentum an die gemeinsamen Nachkommen übergehen).
4. Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) und Versicherung (Art 476 ZGB):
Die Begünstigten haben einen eigenen Anspruch gegenüber der Bank oder Versicherung, der sich nicht nach dem Erbrecht richtet. Folglich können die Vorsorgeeinrichtungen ihre Leistungen ohne Zustimmung der Erbengemeinschaft direkt an die Begünstigten auszahlen. Die Leistungen der Säule 3a gehören nach neuer Konzeption somit nicht in den Nachlass, sie sind aber Teil der Pflichtteilsberechnungsmasse und können herabgesetzt werden.
5. Schenkungsverbot nach Abschluss eines Erbvertrages (Art. 494 Abs. 3 ZGB):
Bisher konnte gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch nach Abschluss eines Erbvertrages weiterhin Schenkungen ausgerichtet werden, ausser es bestand ausdrücklich ein Schenkungsverbot. Dies wurde mit der Revision 2023 geändert.
NEU: besteht gemäss Art. 494 Abs. 3 ZGB ein generelles Schenkungsverbot. Neu können Zuwendungen unter Lebenden (sowie auch Verfügungen von Todes wegen wie ein Testament) – mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke – von den Erben angefochten werden, wenn sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind (namentlich, wenn sie die erbvertraglichen Begünstigungen schmälern) und im Erbvertrag nicht ausdrücklich vorbehalten worden sind.
Diesem neu konstituierten Schenkungsverbot können Sie dadurch begegnen, indem Sie in Ihrem Erbvertrag ausdrücklich vorsehen, dass der Erblasser in Abweichung zu Art. 494 Abs. 3 ZGB weiterhin Schenkungen vornehmen darf.
6. Übergangsbestimmungen / Empfehlung
Die neuen Bestimmungen gelten für alle Todesfälle nach dem 1. Januar 2023 und finden folglich auch auf bereits früher errichtete Testamente oder abgeschlossene Erbverträge Anwendung.
Eine Überprüfung durch eine Fachperson auch von bestehenden Ehe- und Erbverträgen sowie letztwilligen Verfügungen lohnt sich gerade im Hinblick auf das neue Schenkungsverbot.